Flugblattpropaganda an der Front

Deutsches Flugblatt: Einige Fakten
Deutsches Flugblatt für die Soldaten Russlands, Neskol’ko [N…‘‘skol’ko] faktov‘‘ [Einige Fakten], vermutlich 1917
Deutsche Nationalbibliothek, Sammlung Erster Weltkrieg, Signatur: 1934 C 114 - 195

Flug­blatt­pro­pa­gan­da an der Front

Es genügt nicht, die feindliche Propaganda als Ausgeburt völkischer Entartung abzutun […] Als die ersten Beweise von der Gehässigkeit der feindlichen Propaganda vorlagen, war es […] das Ergebnis einer Beratung bei der Zentrale für Auslandsdienst im Auswärtigen Amt, einen Psychiater als Sachverständigen zuzuziehen, der den anormalen Geisteszustand des Feindes aus den Erzeugnissen seiner Propaganda nachweisen sollte.

Walter Nicolai, Nachrichtendienst, Presse und Volksstimmung im Weltkrieg, 1920

Zu Beginn des Krieges hatte die Propaganda an der Front nur eine sehr geringe Reichweite und Effektivität. Die Flugschriften wurden in Dosen verpackt, welche mit Steinen beschwert und in die gegnerischen Gräben geworfen wurden. Vereinzelt wurden die Schriften auch mit Pfeil und Bogen verschossen oder an den Drahtverhauen der Gegner befestigt. Zudem wurde mit verschiedenen Artilleriegeschossen experimentiert. So wurden die Granatsplitter in den Geschossen entfernt und an dieser Stelle die Flugblätter untergebracht. Anschließend feuerte die Feldartillerie die Geschosse in die feindlichen Linien, wo eine kleine Sprengladung die Granathülse öffnete und den papiernen Inhalt freigab. Flugschriften, die auf diese Weise befördert wurden, lassen sich noch heute an der typischen Stauchung im Papier erkennen, die durch den Rückstoß beim Abfeuern entstand.

Das zunächst meistgenutzte Beförderungsmittel war jedoch das Flugzeug. Auf Erkundungs- oder Aufklärungsflügen wurde das Material als Beiladung mitgenommen und von einem zweiten Besatzungsmitglied abgeworfen. 1917 wurden auf diese Weise 97 Prozent aller britischen Flugblätter verteilt.

Zum geeignetsten Transportmittel sollte sich jedoch der Papierballon entwickeln. Dieser war 2,40 Meter hoch und hatte einen Umfang von 6 Metern. Bei einem Gewicht von weniger als 500 Gramm konnte er bis zu zwei Kilogramm Papier transportieren.

Eine Lunte, an der die Pakete mit den Abwürfen hingen, brannte ungefähr 2,5 Zentimeter in fünf Minuten ab. Durch die Länge der Zündschnur konnte der Absender somit ungefähr bestimmen, wie groß das zu bearbeitende Gebiet sein sollte. Der Haltedraht wurde durch gestanzte Löcher im Papier geführt, so dass sich auch diese Verbreitungstechnik noch heute ermitteln lässt.

Die Ballons erreichten eine maximale Höhe von 1000 Metern und legten Strecken zwischen 20 und 100 Kilometern zurück, bevor sie aufgrund des Gasverlustes allmählich zu Boden sanken. Sie sollten den größten Teil des „Trommelfeuer[s] von bedrucktem Papier“ (Michael Tobegen, Fliegerabwürfe in der Deutschen Nationalbibliothek, 2014), das im letzten Kriegsjahr einsetzte, in die gegnerischen Linien transportieren.

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