Haßgesang gegen England

Maschinenschrift: Lissauer, Hassgesang
Ernst Lissauer, Hassgesang gegen England, Maschinenschrift, 1914
Deutsche Nationalbibliothek

Haß­ge­sang ge­gen Eng­land

Drosselnder Haß von siebzig Millionen,
Sie lieben vereint, sie hassen vereint,
Sie haben alle nur einen Feind:
England.

Ernst Lissauer, Hassgesang gegen England, 1914

Der Schriftsteller Ernst Lissauer (1882-1937) veröffentlichte den Haßgesang zuerst im August 1914 in der Dammeck´schen Korrespondenz. Etwas später wurde das Gedicht neben zwei weiteren auf dem Flugblatt Worte in die Zeit. Flugblätter 1914 von Ernst Lissauer […] Erstes Blatt veröffentlicht, so dass sich die Verbreitung des Werkes durch die Veröffentlichungsform drastisch erhöhte.

Der Autor selbst schilderte die gewünschte Wirkung seines Textes im Flugblatt von 1914: Da es ihm nicht möglich sei, mitzukämpfen, wolle er durch Worte seinen Teil zur Einigkeit des deutschen Volkes beitragen. Nicht nur um „Großmacht und Vormacht“ gehe es, sondern um „Wahrung und Wirkung der deutschen Kultur“.

Der Haßgesang wurde zum populärsten Kriegsgedicht der ersten Kriegsmonate. Es wurde unzählige Male nachgedruckt. Der bayerische Armeeführer Kronprinz Rupprecht ließ den Text an seine Soldaten verteilen. Selbst Stefan Zweig und Karl Kraus erwähnten das Gedicht in ihren bekannten Werken Erinnerungen eines Europäers und Die letzten Tage der Menschheit. Lissauer erhielt für seinen Text schließlich den Roten Adlerorden 4. Klasse.

Bereits 1915 wurde in Deutschland erste Kritik am Haßgesang laut. Nach dem Abklingen der Begeisterung vom August 1914 wurde dem Juden Lissauer von antisemitischen Protagonisten, darunter Houston Steward Chamberlain, „jüdischer Hass“ vorgeworfen. Aber auch andere Zeitgenossen verurteilten Lissauers Hymnus auf den Hass als Propaganda und Hetze.

Lissauer selbst äußerte sich 1919 relativierend, indem er schrieb: „Niemals habe ich Anlaß gegeben zu der Meinung, daß ich den Völkerhaß grundsätzlich als Weltanschauung bekenne und predige. […] und alles, was ich nach dem Haßgesang geschrieben habe und zu schreiben hoffe, sollten genügen, um jenes eine Gedicht auch vor Neutralen und ehemaligen Gegnern auszugleichen.“ (Zitiert nach: Rainer Brändle, Am wilden Zeitenspaß, 2002)

Lissauer konnte sich zeit seines Lebens jedoch nicht von der engen Assoziation seines Namens mit dem Haßgesang befreien. Noch Jahrzehnte später konnte der Name Ernst Lissauer kaum ausgesprochen werden, ohne an die vier Strophen aus dem August 1914 zu denken.

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