Oskar Kanehl: An Karl Liebknecht

Buchseite: Gedicht Oskar Kanehls: An Karl Liebknecht, um 1920
Oskar Kanehl: An Karl Liebknecht, Gedicht um 1920
Deutsche Nationalbibliothek, Signatur: 1920 A 7692

Os­kar Ka­nehl: An Karl Lieb­knecht

Von allen Toten aller Schlachtfelder der Beredteste
bist Du
Karl Liebknecht.
Du lebst:
Denn Du bist unter uns.
Du lebst.
Denn Deine Proletarier leben.
In hundert Fäusten ballt sich Deine Faust.
In tausend Herzen schlägt Dein Herz.
Aus Millionen Mündern ruft Dein Mund:
Es lebe die Weltrevolution!

Aus: Oskar Kanehl, Steh auf, Prolet! : Gedichte, 1920

Oskar Kanehl (1888-1929) war bereits vor dem Ersten Weltkrieg als expressionistischer und kommunistischer Dichter und Herausgeber tätig. Als Leutnant an der Front vertrieb er Gedichte und Flugblätter gegen den Krieg. Vermutlich war er auch zeitweiliges Mitglied des „Vollzugsrates der Arbeiter- und Soldatenräte“ in Berlin und der späteren KPD. 1920 erschien das Gedichtheft „Steh auf, Prolet!“, das der sozialistischen Agitations- und Kampflyrik zuzurechnen ist.
Im Gedicht „An Karl Liebknecht“ bedient sich Kanehl eines Paradoxons: Der auf dem Schlachtfeld der Revolution gefallene Karl Liebknecht ist der „beredteste“ aller Toten. Der 1919 ermordete Kommunistenführer lebt weiter in seinen Ideen und seinen Anhängern, den Proletariern, die kollektiv sein Ziel der Weltrevolution weiterverfolgen.
Kanehl stellte in seiner Lyrik die Klassenkämpfe der Novemberrevolution deutlich dar, vereinfachte die komplexen Zusammenhänge aber sehr stark. In seinen Gedichten „Der Prolet“ und „Der Bürger“ gibt es zwischen den Entrechteten und der Bourgeoisie keine Zwischenstufen und keine Kompromisse; die Gegensätze müssen in der gewaltsamen Auseinandersetzung der Revolution münden.
Nach 1919 arbeitete Kanehl u.a. als Theaterregisseur, fand sich aber in der Gesellschaftsordnung der Weimarer Republik nur schwer zurecht und beging 1929 in Berlin Selbstmord.

Weiterführende Internetquellen:
Neue Deutsche Biographie

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