Sammelspektrum
Erste vorbereitende Schritte für die Kriegssammlung der Deutschen Bücherei wurden im September 1914 unternommen. Deutschland und Frankreich hatten mobil gemacht und Großbritannien Deutschland den Krieg erklärt. Deutsche Truppen waren in Luxemburg, Belgien und Frankreich einmarschiert und russische in Ostpreußen sowie französische in Lothringen. Brüssel war von den deutschen Truppen eingenommen und die russische Invasion nach der Schlacht von Tannenberg abgewehrt worden.
In jenen Wochen kamen Fragen zum Umfang der neuen Sammlung und deren Abgrenzung zur Sprache. Da für die Kriegssammlung im Grundsatz die in den Satzungen der Bibliothek vorgegebenen Sammelrichtlinien galten, waren diejenigen Ausnahmen festzulegen, die sich aus dem Kriegsverlauf selbst ergaben. Wie sollte man zum Beispiel mit russischen Bekanntmachungen verfahren, die in deutschen Gebietsteilen plakatiert wurden oder mit jenen Schriften, die deutsche Behörden in den eroberten Gebieten publizierten?
Um möglichst alle Spuren des Kriegs für kommende Generationen aufzubewahren, war eine weite Auslegung des Sammelspektrums nötig. Offenbar konnte man sich darauf frühzeitig einigen, wie der Aufruf vom 12.10.1914 widerspiegelt: Obwohl anfänglich Postkarten und Extrablätter von Tageszeitungen nicht erbeten worden waren, wurden diese später wie auch Lebensmittelmarken, Notgeld, Fotografien und Kriegsmusikalien gesammelt.
Die Sammelstrategie, alle Grenzen fallen zu lassen und alles Erreichbare zu sammeln, verfolgten auch andere deutsche Bibliotheken und Einrichtungen. Im Gegensatz zu ihnen betrat die Deutsche Bücherei mit ihrem Sammelziel jedoch Neuland – und kam aufgrund vielfältiger Faktoren und nicht zuletzt wegen der Fülle des Materials – schnell an die Grenzen des Machbaren. Im Sommer 1917 gab sie ihr ursprüngliches Sammlungskonzept auf. Der Beschluss für diese Zäsur wurde intern gefasst und erst nach Kriegsende der Öffentlichkeit bekannt gemacht.