Lebensmittel- und Rohstoffversorgung

Aufruf der Stadt Leipzig
Rat der Stadt Leipzig, Mitbürger, Plakat, Juni 1916
Deutsche Nationalbibliothek, Sammlung Erster Weltkrieg

Le­bens­mit­tel- und Roh­stoff­ver­sor­gung

Es sind mir zahlreiche Anregungen zugegangen, aus denen hervorgeht, daß eine sehr große Menge bester Bekleidungsstücke der Allgemeinheit dadurch entzogen werden, daß die Toten in ihren besten Kleidungsstücken bestattet werden. Das ist im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage sehr zu bedauern. […] Die Stücke wären zweckmäßig den kommunalen Altbekleidungsstellen zuzuführen, in denen sie für die bürgerliche Bevölkerung wieder hergerichtet werden. […] Das Pietätsgefühl würde nicht verletzt werden, wenn man die Toten in Gewändern aus Papiergewebe bestattete, da die Industrie jetzt in der Lage ist, durchaus würdige Kleidung aus Papiergewebe für Bestattungszwecke herzustellen.

Zitiert aus: Jens Flemming et. al., Lebenswelten im Ausnahmezustand. Die Deutschen, der Alltag und der Krieg 1914-1918, 2011

Durch die Umstellung der industriellen Produktion auf die Herstellung von Kriegsgütern, die Seeblockade gegen den Import von Lebensmitteln sowie durch Fehler in der Nahrungsmittelverteilung wurde der Hunger vor allem in der zweiten Kriegshälfte für weite Teile der Zivilbevölkerung eine ernste Bedrohung. Vor allem in Österreich-Ungarn sowie im Deutschen Reich, die sich nur mangelhaft auf eine längere Versorgung der Bevölkerung eingestellt hatten, war die Ernährungslage dramatisch. In Deutschland ging die wöchentliche Mehlration von 1.575 Gramm im Jahr 1915 auf 1.400 Gramm im letzten Kriegsjahr zurück. Die Fettrationen verminderten sich im selben Zeitraum von 100 Gramm auf nur noch 70 Gramm in der Woche.

Ihren Höhepunkt fand die Versorgungskrise im Winter 1916/17, dem Steckrübenwinter, als der durchschnittliche Kalorienwert der immer schlechter werdenden Nahrung pro Tagesration weniger als 1.000 Kalorien betrug. Ab Frühjahr 1917 kam es schließlich zu ersten Massendemonstrationen gegen die desolate Ernährungslage und den anhaltenden Krieg.

Als eine der behördlichen Reaktionen auf die Krise wurde ab 1915 das sogenannte Kriegsbrot eingeführt, das aus Kartoffelmehl und anderen minderwertigen Mehlsorten gebacken wurde. Die Milch wurde mit Wasser verdünnt, und für viele andere Produkte entwickelte man Ersatzstoffe, die oftmals nur noch äußerlich Ähnlichkeit mit dem Originalprodukt hatten, jedoch keinen Nährwert mehr aufwiesen.

Die Unterernährung während des Krieges hat nach heutigen Schätzungen allein im Deutschen Reich etwa 800.000 Menschen, zumeist Frauen, Kinder und alte Menschen, das Leben gekostet.

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