Die Virtuelle Ausstellung 100 Jahre Erster Weltkrieg und Novemberrevolution
Das Phänomen der Kriegssammlungen
Der Erste Weltkrieg, den die Nachwelt oft als Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts (George F. Kennan) bezeichnet hat, war bereits in den Augen vieler Zeitgenossen ein einschneidendes Ereignis von bis dahin unbekanntem Ausmaß. Dieser Krieg war nicht nur der erste industrialisierte Konflikt, sondern auch – ebenso im Verständnis vieler Menschen dieser Zeit – der erste Medienkrieg in der Menschheitsgeschichte.
Diese Macht des geschriebenen Wortes erkannten auch die Bibliothekare jener Zeit und ließ sie die Schlussfolgerung ziehen, dieses Ereignis durch das Anlegen von Sammlungen der durch den Krieg hervorgebrachten Schriftstücke zu dokumentieren. Allerorten entstanden so Kriegssammlungen, entweder privat durchgeführt oder durch die Initiative von Bibliotheken. Auffallend ist, dass bei vielen Sammlungen der Wunsch nach Vollständigkeit prägend war. Und so finden sich dort neben Büchern auch Zeitungen, Plakate, Maueranschläge, Flugblätter, Briefe, Bilder, Medaillen, Postkarten, Fotografien, Musik und Filme.
Die Deutsche Bücherei beginnt eine Kriegssammlung
Am 3. Oktober veröffentlichte auch die damalige Deutsche Bücherei in Leipzig eine erste Bekanntmachung über den Beginn einer Kriegssammlung im Börsenblatt für den deutschen Buchhandel, in dem um Mithilfe beim Aufbau der neuen Sammlung gebeten wurde.
Zum Zeitpunkt des abschließenden Berichts aus dem Jahr 1921 bestand die Sammlung aus 35.000 Büchern und Broschüren, 1.300 Kriegskarten, 60 Amts-, Gesetz- und Verordnungsblättern aus den ehemals besetzten Gebieten sowie aus über 600 Kriegszeitungen, Gefangenenlager- und Lazarettzeitungen sowie Heimatgrüßen von Gemeinden, Vereinen, Korporationen und Firmen. Hinzu kamen 15.000 Plakate, 150 Fliegerabwürfe und 40 Kapseln mit Einblattdrucken.
Das Projekt Sammlung Erster Weltkrieg
Heute umfasst der systematische Zettelkatalog, der große Teile der Sammlung abbildet, 55 Kästen mit rund 40.000 Titelkarten. Hierin nicht erfasst sind die Plakate, die rund 2.000 Einblattdrucke und das bereits früh ausgeschiedene Material, wie Notgeld und Lebensmittelmarken. Im Zuge der Retrokonversion des alten alphabetischen Katalogs der Deutschen Bücherei sind die Titeldaten zwischen 1999 und 2005 in die Datenbank der Deutschen Nationalbibliothek eingespeist worden und die Objekte somit nach formalen Kriterien recherchierbar.
Ziel des Gesamt-Projekts "Sammlung Erster Weltkrieg" ist es, diese heute noch vorhandenen Drucksachen zum Ersten Weltkrieg virtuell zu einer Sammlung zusammenzufassen und die thematische Recherche im Portalkatalog zu verbessern. Die Deutsche Nationalbibliothek möchte dadurch alle Interessierten bei der Material- und Quellenrecherche zum Ersten Weltkrieg unterstützen. Bestandserhaltungsmaßnahmen sorgen für die Benutzbarkeit der Bestände vor Ort. Exemplarische Digitalisate ermöglichen direkten Zugang zu den Inhalten der Titel von 1914 – 1918.
Die virtuelle Ausstellung
Die virtuelle Ausstellung "100 Jahre Erster Weltkrieg" macht die nun virtuell zusammengefügte Sammlung Erster Weltkrieg sichtbar. Sie soll nicht den Krieg ausstellen, sondern Mediengeschichte in Verbindung mit dem Krieg erfahrbar machen. Dabei wird stark Bezug auf die Deutsche Bücherei, ihre Sammel- und Ausstellungsaktivitäten sowie einzelne Mediengattungen und Medienwerke genommen. Auf diese Weise können Internetnutzer viele der digitalisierten Quellen der Leipziger Kriegssammlung erkunden.
Die Sammlung zur Novemberrevolution
Unmittelbar nach Ausrufung der Republik am 9. November 1919 beschloss die Deutsche Bücherei, die Umbruchszeit durch den Aufbau einer Sammlung von Revolutionsdrucken zu begleiten. Die Initiatoren waren sich der historischen Tragweite des Geschehens bewusst und ersuchten in Werbeschreiben an Arbeiter- und Soldatenräte, Parteien, Behörden und Privatpersonen um Zusendung von Zeitdokumenten. Bis 1920 gingen auf diesem Wege und infolge von Tauschbeziehungen mit anderen Bibliotheken über 9.000 Einblattdrucke ein. Nach Abgabe an das Dimitroff-Museum 1961 und Rückführung der noch vorhandenen Exemplare 1993 sind nunmehr noch 4.679 Plakate und Flugblätter der Sammlung zuzuordnen.
Im Zuge des Projekts Novemberrevolution wurden die Objekte sortiert, konservatorisch gesichert und im Portalkatalog verzeichnet, sodass sie zum ersten Mal seit einer Ausstellung im Jahre 1919 wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können. Den Nutzern steht zudem eine repräsentative Auswahl von ca. 150 digitalisierten Einblattdrucken sowie etwa 500 zeitgenössischen Druckschriften über das Portal und die Deutsche Digitale Bibliothek zur Verfügung. In der virtuellen Ausstellung auf dieser Seite wird dem historisch interessierten Besucher parallel zur Weltkriegssammlung nun ein erster Überblick über das Sammelgut der Revolutions- und Nachkriegszeit mit einführenden Texten zu den Begleitumständen geboten.