Nachkriegsalltag
In der Zeit der galoppierenden Geldentwertung wurden die Löhne jeden Tag ausgezahlt, weil das Geld am nächsten Tag schon nichts mehr wert war. Wenn der Vater von der Arbeit heimkam, stand meine Mutter schon … an der Straßenbahnhaltestelle, um den Lohn in Empfang zu nehmen, unverzüglich zum Konsum zu eilen und wenigsten die notwendigsten Lebensmittel einzukaufen.
Kindheitserinnerungen des Politikers Hermann Barche (1913–2001)
Anders als von vielen erhofft, verbesserte sich die wirtschaftliche Lage nach dem Krieg nur zögernd. Die Zwangswirtschaft wurde zunächst beibehalten: Lebensmittel gab es weiterhin nur rationiert (oder auf dem Schwarzmarkt). Erst im Herbst 1920 wurden Fleisch, Milch und Kartoffeln für den normalen Handel freigegeben, Getreide noch etwas später.
Viele Unternehmen hatten ihre gesamte Produktion auf den Krieg ausgerichtet. Nun mussten sie auf Friedenswaren umstellen. Der Rohstoffmangel und die Verarmung weiter Schichten der Bevölkerung lähmten die wirtschaftliche Entwicklung. Die heimkehrenden Soldaten vergrößerten die Zahl der Arbeitslosen (trotz Einführung der 48-Stunden-Woche und teilweiser Kurzarbeit). Staatliche Aufträge in großem Stil kamen wegen der Überschuldung nicht in Frage. Rheinlandbesetzung und Gebietsabtretungen unterbrachen gewachsene wirtschaftliche Beziehungen und führten dazu, dass neben Kriegsheimkehrern und -opfern auch Flüchtlinge versorgt werden mussten. Dazu kamen die hohen Reparationsforderungen der ehemaligen Kriegsgegner.
Schon während des Ersten Weltkriegs hatte die Inflation eingesetzt. Nun machte die immer schnellere Geldentwertung Normalverdienern schwer zu schaffen. Zwar wirkte sie sich günstig auf den Export aus und verringerte die internen Staatsschulden. Doch verloren viele Haushalte ihr Erspartes und damit auch einen Teil des Vertrauens in die Republik. Bald wurden Angestellte und Arbeiter nicht mehr monatlich, sondern wöchentlich, schließlich sogar täglich bezahlt. Wer konnte, arbeitete für Lebensmittel in der Landwirtschaft mit oder ernährte sich aus dem eigenen Schrebergarten. Der Tauschhandel blühte.
Erst eine Währungsreform im Oktober/November 1923 beruhigte die Lage. Die kurze Hochphase der „Goldenen Zwanziger“ konnte beginnen.
Weiterführende Internetquellen:
Michael Kunzel: Die Inflation. In: Lebendiges Museum Online, 06.07.2017
Arnulf Scriba: Hunger und soziales Elend. In: Lebendiges Museum Online, 06.07.2017